Chronik des Mainzer Turnverein von 1817 e. V. :
Der Mainzer Turnverein von 1817 weist eine fast 200-jährige Vereinsgeschichte auf, welche die Begeisterung und den
Idealismus der Gründungsmitglieder sowie die schwierigen Jahre nach 1848, den 1.+ 2. Weltkrieg und den Wiederaufbau
danach , bis zum heutigen Zeitpunkt beinhaltet. Der Mainzer Turnverein von 1817 ist der älteste Sportverein in
Rheinland-Pfalz und nach der Hamburger Turnerschaft von 1816 der zweitälteste Verein Deutschlands. Unser Verein hat
die Höhen und Tiefen geschichtlicher Entwicklung in Deutschland miterlebt und dabei das Sportbewußtsein derart gefördert,
so dass er sich heute wie einst ungebrochener Popularität erfreut. Dies galt es chronologisch zusammenzufassen und
bedurfte einer gewissen Zeit und deshalb möchte ich Sie, die Leser dieser Historie, bitten, sich auch die Zeit zu nehmen
um diese Chronik zu lesen.
Bild des Turnvater Ludwig Jahn
1814/1815 Zwei Besuche Friedrich Ludwig Jahns in Mainz
Der Urvater des Turnens, Friedrich Ludwig Jahn, geboren am 11. August
1778, wurde nach seiner Schulausbildung Lehrer an seiner früheren Schule
Zum grauen Kloster in Berlin, mit dessen Schüler er im Sommer
1810 die ersten Versuche mit Bewegungsspielen und Übungen machte. Im
Frühjahr 1811 wurde von ihm der erste Turnplatz in der Hasenheide bei
Berlin errichtet. Friedrich Ludwig Jahn wurde 1814 als Vorkämpfer der
deutschen Befreiung anerkannt, denn er hatte im Befreiungskampf mit Preußen
1813 gegen Napoleon mitgefochten. Jahn heiratete und wurde der
Generalkommission für deutsche Bewaffnungsangelegenheiten in Frankfurt
zugeteilt. Von dort besuchte Jahn im Jahre 1814 Mainz zum ersten Mal.
Anlässlich der endgültigen Niederwerfung Napoleons im Jahre 1815 kam Jahn
auf dem Wege nach Paris nochmals durch Mainz. Aus diesen Tagen stammen die
entscheidenden Impulse für das Mainzer Turnen, das durch die heimkehrenden
Soldaten und die Stellung von Mainz als Bundesfestung und Sitz eines Regierungspräsidenten unterstützt wird.
August 1817 "Gründung der Ersten Mainzer Turngemeinde"
Ermutigt durch diese zwei Besuche von Jahn in Mainz, trafen zum ersten Male regelmäßig eine Anzahl junger Menschen
zusammen, um sich in der Jahnschen Turnkunst zu versuchen und zu üben; es waren unter anderem Dumont, Krämer, Ebbert,
Wolf, Greiner von Geisenheim und Döpfner von Hochheim.Diese jungen Menschen waren voll Begeisterung für die Sache der
Turnerei und bestrebt gemeinsam "die neue Kunst der Leibesübungen". besonders zu pflegen und zu fördern. Vor den Toren
der Stadt Mainz versammelten sie sich regelmäßig auf einfach hergerichteten Turnplätzen, um durch die kaum bekannt
gewordenen ersten Geräteübungen sowie Gerwurf, Ringen, Springen und Freiübungen ihren Körper zu kräftigen. Jeder
Teilnehmer verpflichtete sich durch Ehrenwort zum pünktlichen Erscheinen und so bildete sich, wenn auch vorerst ohne
geschriebenes Statut, so doch unter festen bindenden Normen im August des Jahres 1817, die Erste Mainzer Turngemeinde.
20. September 1819 Karlsbader Beschlüsse: Verhängung der "Turnsperre"
Die damalige bewegte Zeit zog Jahn und seine Turnerei in den politischen Strudel der Gegensätze zwischen wieder-
erwachendem Deutschtum und bundesstaatlicher Reaktion. Das Wartburgfest, das am 16.Oktober 1817 von der deutschen
Burschenschaft, deren Mitglieder eifrige Anhänger des Turnens waren, gefeiert wurde, und bei dem man in demonstrativer
Weise die herrschende Polizeiwillkür und den Bürokratismus verspottete, brachte Jahn und seine Sache in den Verdacht
die treibende Kraft dieser Veranstaltung gewesen zu sein. Den empfindlichsten Schlag erhielt die Turnsache jedoch
durch die Ermordung des Dramatikers und Heimatdichters August von Kotzebue, der am 13. März 1819 von dem zu den
Gießener Schwarzen gehörenden Turner Karl Ludwig Sand in Mannheim erstochen wurde. Die Bestrebungen der Turnerei als
gemeingefährlich eingestuft, wurde am 20. September 1819 in Karlsbad eine Turnsperre verhängt. Überall wurden die
Turnplätze geschlossen, von einer gemeinsamen deutschen Turnsache konnte nicht mehr die Rede sein. Von den damals 80
Turngemeinden überstanden nur drei die Turnsperre. Dies waren unser heutiger Mainzer Turnverein von 1817, Hamburger
Turnerschaft von1816 und TV Offenbach 1824.
1825 Einrichtung des ersten Turnplatzes bei Mombach
Fester als angenommen hatte jedoch die neue Kunst der Leibesübungen Wurzeln gefasst, als das der erste Sturm sie hätte
vernichten können. Was man unter den Augen der Mainzer-Zentral-Untersuchungskommission nicht frei, öffentlich und
erlaubt tun durfte, wagte man um so eifriger insgeheim zu pflegen. Im Jahre 1825 wurde sogar bei Mombach, auf dem
Kleinen Sand der erste Mainzer Turnplatz eingerichtet. Er musste jedoch bis 1829 wegen ständiger Verfolgung öfters
verlegt werden. Zuletzt turnte man abwechselnd im Karmeliterkloster und in Privathäusern.
6. Januar 1842 Anerkennung der Leibesübungen durch Friedrich Wilhelm IV von Preußen; Ende der "Turnsperre"
König Friedrich Wilhelm IV von Preußen zeigte reges Interesse an einer von Medizinalrat Lorinsor aus Oppeln 1836
veröffentlichten Schrift, in der r auf das schreiende Mißverhältnis zwischen geistiger Ausbildung und Körperschulung
in der Jugenderziehung aufmerksam gemacht wurde. Allerdings erst am 6. Juni 1842 erließ er eine Kabinettsorder, gemäß
derer die Leibesübungen als notwendiger und unentbehrlicher Bestandteil der männlichen Erziehung anerkannt seien.
Aber schon 1 Jahr vor diesem Erlass wagte man in Mainz wieder in die Öffentlichkeit zu treten. Privatlehrer Hofmann
errichtete einen Turnplatz in der Rheinallee. Das Jahr 1842 hatte dann aufgrund der oben genannten Kabinettsorder
entscheidend den Bann turnerischer Unterdrückung gebrochen. Die Mainzer Turngemeinde veranstaltete 1842 ein großes
Schau- und Wetturnen. Die weitere Entwicklung nahm einen günstigen Verlauf und der Verein blühte von neuem.
Im Sommer fand man immer wieder Möglichkeiten auf freien Plätzen zu turnen und im Winter wurde in der Heilig-Geist
Kirche geübt. Im Jahre 1843 erhielt der Verein seine erste Fahne. Aus rot-weißer Seide hergestellt und mit dem
gemalten Wappen der Stadt Mainz versehen, wurde sie aus freiwilligen Beiträgen der Mitglieder beschafft.
1844 Erstes Feldbergfest unter Beteiligung der Mainzer Turner
Am 1.Oktober 1843 beteiligte man sich mit Turnern aus Offenbach, Frankfurt und Hanau am 3. Mittelrheinischen Wetturnen
in Hanau. Diese Vereine bildeten den rheinisch-hessischen Turnbezirk. Zu dem ersten Feldbergfest am 23. Juni 1844
reiste man mit einer stattlichen Zahl Mitglieder an. Man fuhr mit dem Dampfer nach Höchst und wanderte von dort
zum Feldberg. Auch heute noch nehmen Mitglieder unseres Vereins an diesem ältesten deutschen Bergfest teil,
allerdings unter weit bequemeren Bedingungen.
10. Mai 1846 Einweihung des Mämpelschen Turnplatzes
Leider brachte der wachsende Mitgliederbestand aber auch Meinungsverschiedenheiten in die Reihen der Turner. Es kam
zu einer Trennung, der Müllerschen und der Mämpelschen Turngemeinde. Ein von Turnwart Mämpel in der Nähe des Münster-
tores großzügig eingerichteter Turnplatz konnte am 10. Mai 1846 feierlich eingeweiht werden. Zu dieser Feier waren
zahlreiche Turner aus der engeren und weiteren Umgebung erschienen. Diese waren der Mannheimer Turnverein, Turnverein
Offenbach und Teilnehmer aus Hanau, Frankfurt, Darmstadt und Heidelberg.
Ausschnitt aus einer Aufnahmeurkunde und eine Aufnahmeurkunde vom 1. März 1846
2. März 1848 Erklärung der Mainzer Turner für den Erhalt der Ruhe, Ordnung und Freiheit
1848, das sturmbewegte Jahr deutscher politischer Erneuerung, brachte auch seinen Niederschlag auf Jahn und
sein Werk, blieb nicht ohne Folgen auf die Entwicklung des Turnwesens in Mainz. Die fortgesetzte Unterdrückung aller
auf konstitutionelle Regierungsform abzielenden Forderungen, die Verfolgung eines jeden etwas zu frei gesprochenen
Wortes, das ständige Spuren und Fahnden nach demagogischen Vereinen mussten naturgemäß Erbitterung aller Schichten
des deutschen Volkes gegen das bestehende System hervorrufen. Es gärte überall dort, wo immer Männer sich zusammen
fanden, um auf die Erfüllung der versprochenen Volksrechte und Freiheiten zu dringen.
Auch der Mainzer Turnverein, mehr als viele andere ähnliche Vereine das Unerträgliche der Vereinsspürerei und
Denunziation erduldend, war mit Leib und Seele bei der Bewegung. Turnbestrebungen und Politik wurden aber leider nur
zu oft in einem Atemzug ausgesprochen. Es war aber auch nicht zu übersehen, daß gar manche Turner die Vereine zum
Tummelplatz ihrer politischen Leidenschaften nutzten. Solche radikalen Elemente machten auch dem Mainzer Turnverein
zu schaffen, und nur mit Mühe gelang es einen abermaligen Zerfall zu über- brücken. Die als Handzettel verbreitete
Erklärung der Mainzer Turner bezeugt, dass man mit allem Nachdruck gegen den Radikalismus vorging.
2. April 1848 Aufhebung der Karlsbader Beschlüsse
Hervorgerufen durch die politischen Wirren der Jahre 1848/49, war auch dem Bestreben, im turnerschaftlichen Leben
eine Einheit zu erlangen, wenig Erfolg beschieden. Die ersten Versuche, die deutschen Turnvereine zu einem großen
Bund zusammenzuschließen, waren eben mit politischen Absichten belastet und mussten darum missglücken.
Am 2. April 1848 trat in Hanau ein Turntag zusammen. Man gründete in Gegenwart von Jahn den "Deutschen
Turnerbund". Der folgende Aufruf zum Beitritt fand jedoch wenig Widerhall, und es wurde ein zweiter Turntag nach
Hanau einberufen, auf welchem sich der "Demokratische Turnerbund" konstituierte. In Mainz war man diesen Hanauer
Tagungen gegenüber anscheinend recht zurückhaltend, denn von einem Beitritt der Mainzer Turner ist nicht die Rede.
Wohl aber wird berichtet, dass man am 3. Juli 1848 dem gegründeten "Allgemeinen Deutschen Turnerbund" beitrat.
4. April 1848 Dritter Besuch Friedrich Jahns in Mainz
Zu Turnvater Jahn aber hielten die Mainzer Turner ihre Treue, ganz im Gegensatz zu zahlreichen Turnern, die sich
bei den stürmischen Hanauer Tagungen zumindest ideell von ihm entfernt hatten. Diese Verbundenheit kam besonders
beim dritten Besuch Jahns in Mainz am 4. April 1848 zum Ausdruck.Den großen Empfang, den man ihm - von Hanau
kommend - bereitete, bestätigtdie hierzu ausgegebene Einladung mit Programm. Die Anwesenheit von Jahn wirkte sich
sehr günstig auf das turnerische Leben in Mainz aus, ein schwarzrotgoldenes Banner wurde von ihm eingeweiht.
1848 Erste Satzung ; Mitgliederzahl über 900
In diesen bewegten Jahren gab sich der Verein die erste Satzung, 57 Paragraphen umfassend. Unverkennbar drückte
darin das Geschehen der damaligen Zeit den Richtlinien seinen Stempel auf; Paragraph 1 lautete: Der Zweck des
Mainzer Turnvereins ist, für die Freiheit und Einheit des Deutschen Volkes mitzuwirken sowie den Brudersinn
und die körperliche und geistige Kraft seiner Glieder zu heben. - Mitglied des Vereins konnte man erst nach
Vollendung des 17. Lebensjahres werden. Das Eintrittsgeld betrug 16 Kreuzer.
Der stürmische Verlauf der Hanauer Tagung hatte die Auflösung des Deutschen Turnerbundes zur Folge. Auch im
Mainzer Turnverein trat eine Gärung zutage, die sich in dem Rücktritt fast sämtlicher Vorstandsmitglieder zeigte.
Dann am 11.Juni wurde einem bedeutungsvollen Antrag zur Annahme verholfen, dass es in allen politischen, nicht
aber in rein turnerischen Fragen der Minderheit freistehe, ihrer eigenen politischen Überzeugung zu folgen, da
auch ein Nichtpolitiker Turner sein könne. Mit diesem Antrag wurde den radikalen Elementen einigermaßen der
Boden entzogen. Der Verein wurde vorerst noch vor Schlimmerem bewahrt. Am 15.August konnte sogar die angefertigte
vierte Fahne im Akademiesaal des Kurfürstlichen Schlosses geweiht werden. Der Verein war in jener Zeit zu
einer hohen Blüte gediehen und zählte über 900 Mitglieder.
2. Oktober 1850 Verordnung zur Auflösung der Turnvereine in Hessen als politische Vereine
Diese Blüte war aber nur von kurzer Dauer, denn auch der Mainzer Turnverein vermochte nicht, starke, politische
Einflüsse in seinen Reihen zu verhindern. Die Wende zum Nachteil der Turnvereine war nicht mehr aufzuhalten.
Da sich außer den sächsischen auch viele süddeutsche, badische und hessische Turnvereine an der freiheitlich
revolutionären Bewegung 1848/49 beteiligt hatten, hielten die betreffenden Regierungen den geeigneten
Zeitpunkt zum Einschreiten gekommen. Die Turnvereine wurden als politische Vereine auch in Hessen durch die
Verordnung vom 2. Oktober 1850 aufgelöst. Von den etwa 300 Vereinen, die 1848/49 bestanden, retteten sich kaum
100 über das folgende Jahrzehnt hinweg.
4. Oktober 1850 Nominelle Auflösung des Vereins und gleichzeitige Neugründung unter dem Namen "Turngemeinde Mainz"
In der Versammlung vom 4. Oktober 1850 wurde die nominelle Auflösung des Vereins, der Austritt aus dem
"Allgemeinen Deutschen Turnerbund" und die Niederlegung der Vorortschaft des "Mittelrheinischen Turnerbundes"
ausgesprochen. Dagegen wurde in Erwägung der allgemein anerkannten Nützlichkeit der Turnerei sowie der
Feuerlösch- und Rettungsmannschaft unter dem Namen "Turngemeinde Mainz" aus dem Bestand der alten Mitglieder
ein neuer Verein gebildet. Fern von jeder politischen Richtung sollte er ausschließlich nur den Zweck haben,
die körperliche und geistige Kraft seiner Mitglieder zu fördern und auszubilden. Turn- und Fechtübungen sollten
Gesundheit, Kraft und Gewandheit des Körpers, Mut und Frische des Geistes bezwecken. Ferner sollte die Mainzer
Turngemeinde ihre durch Übungen erlangten Fähigkeiten dem Gemeinwohl widmen und eine Lösch- und Rettungs-
mannschaft bilden, um bei Feuergefahr die Stadt Mainz vor dem Umsichgreifen des Feuers zu bewahren und den bedrohten
Menschen Eigentum und Leben zu retten.
Um 1857 Rückgang der Mitgliederzahl auf 16 ; Umbenennung in "Mainzer Turnverein von 1817"
Die stillschweigende Anerkennung und Duldung des Vereins durch die Regierung ist in weitgehendem Maße dem
unermüdlichen Leiter der Feuerwehrabteilung des Vereins, Weiser, zu verdanken. Aber auch diese Tatsache vermochte
bei wiederholtem Wechsel der Turnplätze einen allmählichen Rückgang und Verfall des Vereins nicht zu verhindern.
1853 beabsichtigte man ein Turnfest des Mittelrheinischen Verbandes abzuhalten und man empfahl den Turnern in
unauffälliger Kleidung und ohne Fahne zu erscheinen. Die Erlaubnis hierzu wurde aber von den Behörden verweigert
und man gab dem Mainzer Turnverein zu verstehen, dass nur seinem bisherigen Wohlverhalten eine weitere Duldung
zuzuschreiben sei. Auch im darauf folgenden Jahr 1854 musste Mainz, zur Abhaltung eines Turnfestes ausersehen,
mit Rücksicht auf die politischen und finanziellen Verhältnisse verzichten. Bis zum Jahre 1857 schmolz der
Mitgliederbestand bis auf 16 Getreue zusammen. Man erwog sogar bei vermehrter Geldverlegenheit und mangelhaften
Geräten die Auflösung des Vereins. In diesen Jahren kluger Zurückhaltung besannen sich die Turner eines Besseren
Man wandte sich in stärkerem Maße den Leibesübungen zu. Ordnung in die Wertung, System in die Übungen und Klarheit
in die Organisation zu bringen, war sicher eine wertvollere Aufgabe als die Bestrebungen der Revolutionszeit. Auf
Veranlassung des damaligen Geheimen Regierungsrates Schmitt wurde dem Verein die heute bestehenden Benennung
"Mainzer Turnverein von 1817" gegeben. Man verließ die verborgene Turnstätte des Karmeliterklosters, turnte im
Sommer vor dem Raimunditor und im Winter in der Fruchthalle.
Die Fruchthalle stand auf dem Gebiet des 1793 zerstörten Dominikanerklosters.Sie diente als Frucht-Börse und
Markthalle, dann auch als Turnlokal und Festhalle.
Ab 1858 Neuer Aufschwung, schneller Anstieg der Mitgliederzahl
Unter diesen neuen Aspekten blühte der Verein wieder auf, die Mitgliederzahl mehrte sich, die Geldnot schwand
und der Gerätebestand besserte sich in erfreulicher Weise. Ein weiteres belebendes Ereignis war der Turntag vom
27. März 1859 in Offenbach/Main, bei dem 12 Vereine vertreten waren; unser Mainzer Turnverein von 1817 durch
Fritz Gehry und Schreher. Es wurde die "Vereinigung Mittelrheinischer Turnvereine" gegründet.
16. - 19. Juni 1860 1. Allgemeines Turnfest und Gründung des "Allgemeinen Deutschen Turnerbundes" in Coburg
Ein neuer kraftvoller Aufschwung und die Einigung der deutschen Turner brachte das Jahr 1860. Die bedrückende
Polizeiaufsicht verschwand und immer deutlicher wurde das Verlangen nach deutscher Einheit. Diesen Wandel
ließen auch die Turner nicht ungenutzt. Die "Deutsche Turnerzeitung" appellierte im Jahr 1860 mit einem "Ruf
zur Sammlung" an die deutschen Turner und lud zu einer gemeinsamen Feier ein. Der Ruf fand begeisterten Widerhall
in allen Vereinen und gegen 1000 deutsche Turner fanden sich vom 16.-19. Juni 1860 in Coburg zum 1. Deutschen
Turnfest zusammen. Der Mainzer Turnverein von 1817 war durch Gehry, Michel und von Zabern vertreten. Während
dieser Festtage wurde die "Deutsche Turnerschaft" gegründet und vereinigte etwa 30000 deutsche Turner. Ende
Oktober schied ein Teil der Mitglieder aus und gründete am 11.11.1860 den zweiten Verein in unserer Stadt, "die
Mainzer Turngesellschaft", die heutige Mainzer Turn- und Sportvereinigung von 1860. Im folgenden Jahr wurde in
Mainz ein Turntag abgehalten und der Rheinhessische Bezirksverband ins Leben gerufen, der 9000 Mitglieder
vereinigte, Mainz wurde Vorort. Als Vorort veranstaltete man alsdann 1862 das Bezirksturnfest Auf dem dabei
dam 15. Juni 1862 abgehaltenen Verbandsturntag wurde die erste Vorturnerschule ins Leben gerufen. Vor allem die
Turnerei auf dem Lande erhielt dadurch wesentliche Impulse und die 1817er Turner Gehry, Stumpf, Keller, Christ,
Michel u.a. fuhren all Sonntäglich aufs Land um Turnstunden abzuhalten. Die Gründung mancher rheinhessischer
Turnvereine geht auf diese Zeit zurück. Im Jahre 1866 gewann zum ersten mal auf Anregung von Mitgliedern der
Gedanke eines Turnhallenbaus greifbare Gestalt. Der im Rechenschaftsbericht ausgewiesene Aktienwert und
Kassenbestand von insgesamt 400 Gulden wurden als Baukapital erklärt. Der aus harten Kämpfen hervorgegangene
Mainzer Turnverein von 1817 konnte im Jahre 1867 sein 50jähriges Bestehen feiern. Anlässlich dessen bot es die
Gelegenheit auf eine Tätigkeit zurückzublicken, die berechtes Zeugnis war vom ernsten Streben für Zweck und Ziel
des Vereins. Mit dem Willen, unverrückt zur guten Sache zu stehen, den Gedanken unter den Mitgliedern wach zuhalten
eine bleibende Stätte zu erwerben, sollte der Blick auf eine bessere Zukunft gerichtet sein. In immer greifbareren
Umrissen trat das Vorhaben der Erbauung einer eigenen Turnhalle in Erscheinung. Vorbereitung und Finanzierung
standen ganz im Vordergrund und dazu sollten auch Zusteine zum Turnhallenbau beitragen, die zu dem für heutige
Verhältnisse für den bescheidenem Betrag von 25 Pfennig zu erwerben waren. Einen bitteren Rückschlag erlitt man am
18. August 1867, als die Fruchthalle am Brand vollständig niederbrannte und sämtliche Geräte des Vereins vernichtet
wurden. Ohne eigene Halle war man ja immer noch auf fremde Unterkünfte angewiesen. So musste man in den Sommer-
monaten die Turnplätze stetig wechseln und im Winter im heutigen Heilig-Geist-Restaurant, im Karmeliterkloster oder
eben in der Fruchthalle turnen.
1872 Gründung der Fechtriege als erste eigenständige Abteilung
Die Fechtriege war bereits 1872 als erste Vereinigung zum sportlichen Fechten in Mainz und zugleich als erste
eigenständige Abteilung in unserem Verein gegründet worden. Doch nach Querelen mit der Vereinsführung schieden
fast alle Fechter aus und gründeten im August 1876 den Mainzer Fechtclub. Das Fechten in unserem Verein kam
praktisch zum Erliegen und wurde erst 1888 mit der Neugründung der Fechtriege wieder aufgenommen.
2. August 1877 Erhalt der Rechte einer Körperschaft
Am 2. August 1877 wurde der Verein durch großherzoglichen Erlaß mit den Rechten einer Körperschaft ausgestattet.
1886 Gründung der Männerriege
1887 Gründung der Fechtriege und Vorturnerschaft
12. August 1888 Einweihung der eigenen Turnhalle mit Vereinsheim
Nachdem Mainz 1879 Vorort des Kreises wurde, übernahm der Verein 1881 die Durchführung des 12. Mittelrheinischen
Turnfestes. Die große Anteilnahme der gesamten Bevölkerung an diesem glänzenden Fest und das günstige finanzielle
Ergebnis brachte die Verwirklichung des Turnhallenbaus ein gutes Stück näher. Aber noch 5 weitere Jahre musste man
sich gedulden bis auf einer außerordentlichen Generalversammlung beschlossen wurde, von der Stadt Mainz in der
Schießgartenstrasse ein Grundstück zu erwerben. Tatkräftig ging es nun ans Werk. Von den eingereichten Entwürfen
für die Halle mit Vereinshaus entschied man sich für denjenigen des Baumeisters Philipp Berdelle, der diesen dem
Verein als Spende überreichte. Nun folgte eine zweijährige Bauzeit.
Entwurf von Philipp Berdelle
Nach 71-jähriger Wanderung, mit oft unglaublichen Widerwärtigkeiten und fast unüberwindlichen Schwierigkeiten,
wurde das Jahr 1888 für unseren Mainzer Turnverein von 1817 zu einem bedeutsamen Meilenstein. Mit einem Festprogramm
zu den Einweihungsfeierlichkeiten vom 12.-15. August wurde das Turnerheim seiner Bestimmung übergeben.
Innenansicht der Turnhalle um die Jahrhundertwende
Mit einem Baukapital von 140 000 Goldmark wurde das Turnerheim erstellt, dessen Ausstattung den höchsten
Anforderungen der damaligen Zeit entsprach. Durch dieses geschaffene Werk konnte der Verein sein Ansehen weiter stärken
und das Schülerturnen wurde mit der eigenen Turnhalle in die Vereinstätigkeit aufgenommen. Die neue Turnhalle mit
Vereinsheim gab nicht nur der turnerischen Tätigkeit vermehrten Auftrieb, auch das gesellige Leben gewann dadurch und
vertiefte die Bindung unter den Mitgliedern.
Postkarte an Carl Schill worauf Vereinsheim und Turnlokal vom MTV 1817 zu sehen ist
17.-27. Juli 1892 75-jähriges Bestehen des Mainzer Turnverein von 1817
In besonders prächtigem Rahmen wurde das 75-jährige Bestehen des Vereins gefeiert, dass mit dem 20. Mittelrheinischen
Kreisturnfest in Mainz zusammenfiel. Die Feierlichkeiten begannen am Sonntag, dem 17.Juli 1892, und endeten zugleich
mit dem Turnfest am Mittwoch, dem 27. Juli. Eine hierzu von Reallehrer Philipp See verfasste Festschrift ist leider
nur noch im Auszug erhalten. Aber eine noch vorhandene Jubiläums- Festzeitung und eine Festkarte lassen den Frohsinn
und Stolz erkennen, mit denen man diesen Anlass im Verein und in der Stadt Mainz beging.
Mannigfaltig waren die Veranstaltungen zum 20. Mittelrheinischen Kreisturnfest mit wiederholten Ehrungen für den
Jubelverein Prunkvoll war der Jubiläums-Festzug, der am Sonntag, dem 24. Juli 1892, durch die Straßen von Mainz zog
und 67 Schaunummern, meist historischer Art, enthielt. Sämtliche Mainzer Vereine und eine Anzahl Innungen sowie Turner
aus 15 Turngauen nahmen daran teil.
1894 - 1905 Gründung weiterer Abteilungen
Gestärkt durch die schönen Erfolge, die das Kreisturnfest in Verbindung mit der 75-Jahrfeier brachte, insbesondere durch
durch den stattlichen Mitgliederzuwachs, konnte der Verein in den folgenden Jahren seinen Aufgabenkreis beträchtlich
erweitern. So erfolgte 1894 die Gründung der Damen-Turnabteilung, 1895 wurde eine Gesangsabteilung ins Leben gerufen
und 1896 eine Radfahrriege. Ebenfalls 1896 wurden die ersten Turnspiele veranstaltet, im Sommer auf dem Platz des
Mainzer Rudervereins - damals noch in der Kaiserstraße -, im Winter Sonntag Vormittag in der Turnhalle.
Turnerische Wanderlust führte bei einem Ausflug im Dezember 1905 zur Gründung der Wanderriege.
1. Januar 1907 Erste Einstellung eines besoldeten Turnlehrers
Immer mehr zeigte es sich, daß die gesamte Leitung des turnerischen Betriebs nicht mehr voll durch ehrenamtliche
Turnwarte bewältigt werden konnte. Dieser Mangel wurde mit der Anstellung eines besoldeten Turnlehrers am
1. Januar 1907 beseitigt. Das Turnen und vor allem das Kinderturnen konnten dadurch bedeutend erweitert werden.
91. Stiftungs-Fest des MTV von 1817 am 15. November 1908.
Die fünf "Ersten Sieger" 1908: J.Jung, W.Malzahn, A.Lösche, O. Mühl, W. Cratz
Dezember 1909 Gründung einer Spiel- und Sportriege und Schneeschuhriege (Skiriege)
Die von beständiger Aufwärtsentwicklung gekennzeichneten Jahre vor dem ersten Weltkrieg hatten auch auf das Vereins-
leben günstigen Einfluss, und man versäumte nicht die Gelegenheit entsprechend zu nutzen. Hatte man sich schon seit
Jahren in verschiedenen Ballspielen geübt, wurde 1909 der Strömung der Zeit Rechnung tragend, eine Spiel- und Sportriege.
gegründet. Diese Riege kann als Vorgängerin der späteren Leichtathletik- und ballspielenden Abteilungen angesehen
werden. Initiator und Leiter war Otto Mühl, ein erstklassiger Leichtathlet seiner Zeit, der an den Olympischen Spielen
1908 in London im Hochsprung teilnahm. Im Dezember des gleichen Jahres wurde durch die Initiative von Georg Schweikart
die Schneeschuhriege (Skiriege) aus der Taufe gehoben.
6. November 1910 Bericht der Spielriege
Aus dem Bericht der Spielriege ist hervorzuheben, dass am 6. November 1910 der 1. Gauspieltag abgehalten und dabei der
Gauspielverband Rheinhessen gegründet wurde. Außer Faust-, Schlag-, Tamburin-, Schleuderball und Barlauf wird erstmals
auch Fussball erwähnt. Und noch eine Gruppe darf nicht vergessen werden: "Gesundheitliches Turnen". Das heißt nach
heutigem Sprachgebrauch "Turnen für Jedermann", das somit im Mainzer Turnverein von 1817 bereits vor über 90 Jahren
geübt wurde. Am Ende des Berichtsjahres 1910 zählte der Verein rund 700 Mitglieder.
1911 Vorbereitungen zur Hundertjahrfeier
Beschwingt durch die Erfolge der vorangegangenen Jahre erschien es nicht verfrüht, bereits im Jahre 1911 die
Vorbereitungen zum 100jährigen Bestehen in die Wege zu leiten, sollte doch dieses Ereignis einen glanzvollen Rahmen
erhalten. Zugleich hatte man sich auch eine große Aufgabe gestellt, dem Verein einen eigenen Turn- und Sportplatz zu
schaffen. Dazu sollte jedes Mitglied in einer groß angelegten Spendenaktion mit einer Jubiläumsgabe nach besten
Kräften beitragen. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 wurden alle Vorbereitungen jäh unterbrochen. Trotz
des Krieges, der ganz Europa überzog, ging der Turnbetrieb weiter. Im September 1916 wurde sogar eine Taubstummen-
abteilung gegründet, der 14 Teilnehmer angehörten. Allerdings wurden die Übungsstunden in den Turnsaal der Ober-
Realschule verlegt, da die Vereinsturnhalle als Lazarett diente.
Die Turnhalle des MTV 1817 seit Kriegsbeginn als Lazarett eingerichtet
1914 - 1916 Die Nagelsäule
1914 hatten die meisten Mainzer den Kriegsausbruch noch mit Hurrapatriotismus begrüßt. Spätestens im Laufe des Jahres
1915 jedoch, als die Zahl der Gefallenen und die wirtschaftliche Not immer größer wurden, machte sich Ernüchterung
breit. Es wuchs der Wille, jenen zu helfen, die unter den Kriegsfolgen am schlimmsten leiden mussten. Der damalige
Dr. Göttelmann regte deshalb eine Spendensammlung an. Sie sollte verbunden werden mit der Errichtung eines künstlerisch
gestalteten "Holzgebildes", in das jeder durch Hammerschlag und Nageleintreiben seinen festen Willen zur Unterstützung
der guten Sache bekunden konnte. Am 1. Juli 1916 wurde der erste Nagel eingeschlagen und die Nagelsäule war das Mal als
"Kriegswahrzeichen" zur Linderung der Kriegsnot.Auch der Mainzer Turnverein von 1817 trug mit einem ansehnlichen Betrag
dazu bei und erwarb neben anderen bedeutenden Mainzer Vereinen ein Nagelfeld. Das Feld vom MTV von 1817 zeigt einen
Diskuswerfer und befindet sich über dem Wikingerschiff.
Nagelsäule und Nagelfeld
2. - 5. August 1917 Hundertjahrfeier (Kriegsjubiläum)
Die Hundertjahrfeier vom 2.-5. August 1917 trug ganz den Stempel der Kriegsjahre, bekam aber durch die gleichzeitige
Tagung des Hauptausschusses der Deutschen Turnerschaft eine fette Note. Mit einer kleinen Festschrift, einer besonderen
Ansichtspostkarte und einem Liederheft hat man diesem denkwürdigen Ereignis ein äußeres Zeichen verliehen, das noch
heute erhalten ist. Ein Empfang der Abgeordneten der Deutschen Turnerschaft und der Ehrengäste durch den Oberbürger-
meister der Stadt, Dr. Göttelmann, sowie eine anschließende Feier im Mainzer Stadttheater am Samstag, dem 4. August 1917,
gaben dem 100. Geburtstag unseres Mainzer Turnvereins von 1817 einen würdigen Rahmen. Bemerkenswert ist noch ein
Schreiben des damaligen Kriegsministeriums vom 4. Juli 1917, gemäß dem allen Vereinsmitgliedern, die im Felde standen,
auf Antrag zudieser Hundertjahrfeier Sonderurlaub zu gewähren war.
1919 Die folgenden Jahre nach Kriegsende
Im Jahr 1919 wurde dem Mainzer Turnverein von 1817 sowohl die Turnhalle wie auch der mit großen Kosten hergerichtete
Turnplatz im Zitadellengraben von der französischen Besatzung beschlagnahmt. Nach langen Verhandlungen konnte die
Freigabe der Turnhalle erreicht werden, die aber schon 1923 wieder zurückgenommen wurde. Mit Aufnahme des Vereins-
betriebes in der renovierten Turnhalle am 1. Februar 1921 belebte sich der Turnbetrieb sehr schnell und in kurzer
Folge wurden dem Verein neue Abteilungen angegliedert.
Turnerbuben um 1919 mit ihrem Turnlehrer im Zitadellengraben
1920/21 Hockey, Fussball und Handball
1925 Schwimmen (von 1930 an Schwimm- und Paddelabteilung)
Wie schon gesagt, war die Möglichkeit, den Sportbetrieb in der 1921 freigegebenen eigenen Halle weiterzuführen, nur
von kurzer Dauer. Ende 1923 wurde die Turnhalle erneut von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. "Die
Räume des Mainzer Turnvereins werden beschlagnahmt, um eine Verkaufsstelle für die Eisenbahner einzurichten",
lautete der damalige Befehl. Die Halle blieb sechs Jahre lang beschlagnahmt. Ihre Freigabe erfolgte erst wieder im
Jahre 1929, kurz bevor eine andere eigene Halle auf unserem heutigen Sportgelände errichtet werden sollte.
14. Mai 1922 Einweihung des eigenen Sportplatzes an der Schillstraße
Nachdem das Vorhaben, dem Verein zum 100jährigen Bestehen einen Sportplatz zu beschaffen, durch den 1. Weltkrieg
nicht realisiert werden konnte, entstanden durch die Wegnahme des Sportplatzes
im Zitadellengraben neue Sorgen um eine Übungsstätte für die Sommermonate. Nach
vielen Mühen konnte Ende März 1921 ein Ackergelände von über 28 000 qm am
ehemaligen Fort Philipp gekauft werden. Unter großen Opfern wurde das Gelände
zu einem neuzeitlichen Turn- und Sportplatzmit Umkleideräumen, Wasch- und Dusch-
anlagen hergerichtet. Am 14. Mai 1922 erfolgte die Einweihung im Beisein der
Spitzen der Behörden und unter großer Anteilnahme der Mainzer Bevölkerung. Nach
der entwicklungsbedingten Trennung zwischen Turnen und Sport im Jahre 1924 und der
Gründung gesonderter Sportverbändeschied die Fussballabteilung - in aller Freundschaft -
- aus dem Verein aus. Die übrigen Abteilungen folgten diesem Beispiel nicht, so das die Einheit gewahrt blieb.
2. Mai 1926 Einweihung des Ehrenmals für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Vereinsmitglieder
Nach Kriegsende wurde am 18. Dezember 1918 im Vereinshaus in der Schießgartenstrasse eine schlichte Begrüßungsfeier
zu Ehren der aus dem Felde heimgekehrten Mitglieder abgehalten. Von rund 575 männlichen Mitgliedern trugen über 450
450 die feldgraue Uniform; 54 von ihnen kehrten nicht mehr heim. Den Gefallenen zu Ehren wurde am 2. Mai 1926 ein
Ehrenmal auf unserem Sportplatz errichtet und eingeweiht. Dieses Ehrenmal ist auch heute noch zu besichtigen und befindet
sich am Ende des Auslaufes der Tartanbahn auf einer kleinen Anhöhe.
1926 - 1933 Die zwanziger Jahre
Die zwanziger Jahre waren trotz der Schwierigkeiten von einem lebhaften Turn- und Sportbetrieb gekennzeichnet. Auch die
Inflation mit ihrem Währungsschnitt konnte dem Verein nichts anhaben. Da nahte von ganz anderer Seite eine ernste
Gefahr. Ende 1926 stellte die Stadt einen Bebauungsplan für das Gelände vor dem Gautor auf, wobei unser Sportplatz
von Straßen durchschnitten werden sollte. Nach langen und mühseligen Verhandlungen konnte die Stadt durch einen
Geländetausch von diesem Vorhaben abgebracht werden. An Stelle des Übungsplatzes an der Rathenaustraße erhielt der
Verein Geländeparzellen an der Pariser Straße. Dadurch vergrößerte sich der Platz um 4777 qm und war für lange Zeit
Zeit mit insgesamt 33 460 qm wohl weit und breit der größte vereinseigene Platz.
Die 1. Fussballmannschaft, im 110. Festjahr des Vereins Kreismeister 1927 !/p>
Die 1. Handballmannschaft besiegt im Endspiel des Jubiläumsturniers 1927 die TG Worms 1846 mit 5:2
Von besonderer Bedeutung war die Hauptversammlung vom 1. Dezember 1928, die von 170 Mitgliedern besucht war. Auf
dieser Sitzung wurde der Bau einer neuen Turnhalle auf dem Sportplatz längs der Schillstrasse beschlossen. Zur
Durchführung dieses Beschlusses kam es jedoch nicht, weil die Turnhalle in der Schießgartenstrasse im Frühjahr 1929
endlich von der Besatzungsmacht freigegeben wurde. Damit blieb der Verein vor einem wirtschaftlichen Abenteuer
bewahrt, das er kaum hätte verkraften können. Anstelle von 400000 Reichsmark in einen neuen Turnhallenbau (heute
ca. 500000 €)steckte der Verein 10 000 Reichsmark in den weiteren Platzausbau und sicherte sich somit eine
spielfähige Freianlage die inzwischen viele Jahre überdauert hat. Aber das Jahr 1928 war auch durch sportliche
Ereignisse gekennzeichnet, nämlich dem 75. Feldbergfest, wo man als erfolgreichster Verein heimkehrte, und dem14.
Deutschen Turnfest in Köln, wo man maßgeblich beteiligt war. Stolz flatterte unser Banner als das älteste dem
Fahnewald voran.
1929 wurde die Fussballabteilung als selbstständige Abteilung gegründet. Einen weiteren bedeutenden sportlichen
Erfolg gab es 1929 durch die Handballerinnen. Diese erreichten über Rheinhessen- und Südwestmeisterschaft das
Endspiel um die deutsche Meisterschaft.
Denkbar knapp unterlag man Vorwärts Breslau mit 2:3 Toren und man war eben nur deutscher Vizemeister geworden.
Die Ende der 20er Jahre einsetzende allgemeine Wirtschaftskrise bereitete auch unserem Verein schwere Sorgen. Aber
es spricht für die damalige Vereinsführung, dass sie diese Notzeit überbrückte. Im Jahr 1930 erfolgte der Bau einer
Tribüne, die erst im Zweiten Weltkrieg verloren ging. Auch der Turn- und Sportbetrieb war rege. Der Verein nahm an 46
verschiedenen Wettkämpfen und Sportfesten erfolgreich teil.
Sportliches Treiben auf dem ausgedehnten Sportgelände um 1930 Im Hintergrund die neu erbaute Tribüne
17. Juni 1933 Gleichschaltung des Vereins
Absetzung des gewählten Vorsitzenden und Einsetzung eines kommissarischen Vereinsführers
Der folgende Zeitabschnitt zählt mit zu den schwersten des Vereins und
erstreckt sich über zwölf schicksalsträchtige Jahre. An seinem Ende
drohte dem Mainzer Turnverein von 1817 abermals der Untergang. Der
politische Umschwung im Januar 1933 mit seinen tief greifenden Folgen für
die gesamte Struktur des deutschen Volklebens ergriff selbstverständlich
auch unseren Verein. Nachdem Rücktritt des Ersten Vorsitzenden Ernst
Cantor Anfang 1933, übernahm Dr. Georg Gröss den Vorsitz. Doch seine
Amtszeit war nur von kurzer Dauer. An einer für Samstag, dem 17. Juni
1933, einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung mußte sich
auch unser Verein der nationalen Erhebung und dem Führerprinzip fügen;
er wurde gleichgeschaltet. Die Zeit von der Machtübernahme der Nationalsozialisten
am 30. Januar 1933 bis zu der Versammlung am 17. Juni des gleichen Jahres gleicht jenen Sturmwogen,
die unseren Verein im Laufe seiner geschichtlichen Entwicklung wiederholt
erschütterten, immer dann nämlich, wenn Politik und Sport miteinander
verquickt und politische Fanatik in die sportliche Gemeinschaft getragen
wurde. In dieser Versammlung am 17. Juni 1933 kam es daher zu heftigen
Auseinandersetzungen, und unter lautstarkem
Protest verließ eine große Anzahl Mitglieder die Versammlung. Geändert aber
hat sich an den Maßnahmen des neuen Führers nichts. Der seitherige Vorstand
wurde seiner Ämter enthoben und Studienrat Ludwig Zerbes als neuer
kommissarischer Vereinsführer eingesetzt. Der angesetzte Vorstand erhob gegen
diese Maßnahmen Protest und verlangte die sofortige Wiedereinsetzung. Diesem
Begehren kam man freilich nicht nach, was dann zum geschlossenen Austritt von
über 200 Mitgliedern und der Gründung des Mainzer Hockey-Clubs führte. Da
außer den Hockeyspielern auch zahlreiche Handballer und Leichtathleten zum
neuen Verein wechselten, bedeutete dies einen empfindlichen Schlag für
unseren Verein, zumal man gerade in diesen beiden Sportzweigen über die
Grenzen Rheinhessens hinaus führend war.
Der Wille, auch unter den veränderten Verhältnissen Sport zu treiben,
setzte sich durch und ließ das Vereinsleben allmählich wieder normalisieren.
Auch kamen die meisten Handballer und Leichtathleten allmählich wieder zu
ihrem alten Verein zurück, nachdem weder unser Verein noch der neugegründete
Mainzer Hockey-Club kaum eine Mannschaft stellen konnte. Durch tatkräftige
Unterstützung von Oberturnwart Wilhelm Cratz und Willy Spengler als neuer
Vereinsturnlehrer kam Anfang 1935 wieder Schwung in die verschiedenen
Abteilungen.
<img border="0" src="grafiken/geschichte/turnenhalle.jpg" width="448" height="338"><br>
<font size="1">"Volk am Gerät!" Stramme Riegenordnung am Barren in der
Marienschule um 1933. Bis weit in die 60er Jahre stand die kleine Halle dem
"1817" zur Verfügung.</font>
An verschiedenen turnerisch-sportlichen Veranstaltungen beteiligte sich
stets eine stattliche Mitgliederzahl aus unserem Verein und hervorzuheben war
die Teilnahme am Turnfest in Saarbrücken, an dem in vier Abteilungen mit
einer Musterriege geturnt wurde und bei dem sich die Mannschaft unseres
Vereins besonders hervortat.
11./12. August 1942 Zerstörung der Turnhalle mit Vereinsheim durch Bombenangriff
Das 16. Deutsche Turnfest 1938 in Breslau, an dem auch unser Verein mit
einer starken Mannschaft teilnahm, war die letzte große Turnschau vor dem
Ende des Reiches, und seinem völligen Untergang in Tod und Zerstörung. Der
Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 überschattete das
gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in unserem Vaterland und
lastete mit lähmender Hand auch auf unserem Verein. Der Übungs- und
Sportbetrieb ging durch die Kriegsgeschehnisse rapide zurück, vor allem auch
durch die Einberufung der damals jüngeren Jahrgänge. Auch die Vorbereitungen
zum 125jährigen Bestehen im Jahre 1942 waren nicht mehr möglich. Dieses
erhoffte frohe Ereignis wurde zum bittersten Erlebnis in der Geschichte
unseres Mainzer Turnvereins von 1817 und der 11./12. August 1942 zum
schwärzesten Tag. In dieser Nacht ging bei einem der ersten
Bombenangriffe auf Mainz unsere Turnhalle mit Vereinsheim in der
Schießgarten- straße in Schutt und Asche unter. Die Halle war bis auf die
umgebenden Mauern ausgebrannt und das Vorderhaus bis auf das Kellergeschoß
zur Ruine geworden. Dabei wurde auch das gesamte wertvolle Archiv des Vereins
vernichtet, so dass die vorliegende Vereinschronik nur dadurch ermöglicht
wurde, dass das verstreut in Privathand oder Bibliotheksbesitz befindliche
Quellenmaterial in mühevoller Kleinarbeit erschlossen und ausgewertet werden
konnte.
Um den Übungsbetrieb nicht ganz erliegen zu lassen, fand man eine
Ausweichmöglichkeit im Keglerheim an der Saarstraße, dessen Saal benutzt
werden konnte. Wie schon vor der Vernichtung der eigenen Turnhalle wurden auch
jetzt zu den Übungsstunden einige Brudervereine eingeladen, um einen
lebendigen Turnbetrieb gestalten zu können. Dazu gehörte auch der Turnverein
Jahn, der ebenfalls durch den Bombenangriff seine Turnhalle verloren hatte. So
versuchte man mit allen Mitteln, das Vereinsleben in dieser schweren Zeit wach
zuhalten und den Fortbestand des Vereins zu sichern.</p>
1945/46 Wiederaufbau; Zusammenschluss mit dem Turnverein Jahn
Schon bald nach dem totalen Zusammenbruch im Mai 1945 erwachte wieder ein
neues Leben aus den Ruinen. Wilhelm Cratz war es, der die Geschicke des
Vereins entschlossen in die Hand nahm. Es ist sein Verdienst, unseren alten
Mainzer Turnverein von 1817 über die Wirrnisse der ersten Nachkriegsjahre
erhalten und den reichen Grundbesitz, insbesondere unseren Sportplatz an der
Pariser Straße, vor fremdem Zugriff bewahrt zu haben. Gleich im Jahre 1945
erfolgte auch der endgültige Zusammenschluss mit dem Turnverein Jahn. Dadurch
kamen anerkannte und erfolgreiche Turnerfachkräfte zu uns, und man kann mit
Recht sagen, dass durch diese Vereinigung das Turnen in Mainz erhalten blieb.
Aber eine Gefährdung bestand weiterhin, denn neben anderen Sportarten blieb
auch das Turnen seitens der französischen Besatzungsmacht für mehr als zwei
Jahre verboten.
War das 125jährige Bestehen unseres Vereins im Jahre 1942, wie schon das
100jährige, in einen Krieg gefallen, holte man im Jahre 1947 die Gelegenheit
nach und feierte das 130jährige Bestehen in bescheidenem Rahmen. Die
Festveranstaltung fand im Stadthaus am Pulverturm statt.
Nach der Normalisierung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse
durch die Währungsreform 1948 schaffte man mit dem Wiederaufbau des
Vereinshauses in der Schießgartenstraße als Mietswohnhaus eine gute
Ertragsquelle, um den weiteren Aufbau des Vereins in finanzieller Hinsicht zu
sichern. Das turnerische und sportliche Leben nahm einen regen Fortgang und
die neu ins Leben gerufenen Turn- und Sportverbände bemühten sich die
sportliche Tätigkeit wettkampfmäßig zu fördern.</p>
Im Jahr 1949 gründete man dann die ersten Basketballmannschaften.</p>
August 1960 Verleihung des Walter - Kolb - Schildes
Ein weiterer Höhepunkt war die 100-Jahr-Feier des Deutschen Turnerbundes
vom 10. - 14. August 1960, an dessen Gründungsstätte in Coburg. Auch unser
Verein gehörte damals zu den Mitbegründern. Nach 100 Jahren waren wir wieder
dabei und wurden als zweitältester Turnverein Deutschlands mit dem zu diesem
Anlass geschaffenen "Walter-Kolb-Anzeige Junghans Schild" besonders geehrt.
<p><img border="0" src="grafiken/geschichte/kolbschild.jpg" width="479" height="615"><br>
Diese Auszeichnung wurde nur fünf Vereinen verliehen.
24. Juni - 2. Juli 1967 Feiern zum 150 jährigen Jubiläum; Verleihung des Jahn-Schildes
Noch rechtzeitig zum 150jährigen Jubiläum konnte es ermöglicht werden,
den nun schon vierzig Jahre bestehenden Sportplatz von Grund auf neu zu
gestalten und zu renovieren. Durch die in den Nachkriegsjahren und bis heute
noch nicht ausreichend vorhandenen Sportstätten wurde der Platz übermäßig
beansprucht und war an der Grenze dessen, was einem Sportplatz zugemutet
werden darf. So erfreulich und ersprießlich sich der Aufbau unseres Mainzer
Turnvereins von 1817 nach 1945 entwickelt hat, war es leider nicht möglich,
nach der Vernichtung der Turnhalle in der Schießgartenstraße wieder eine
vereinseigene Halle zu bauen. An dem Willen und Wollen hat es zwar nie
gefehlt, die finanziellen Erfordernisse geboten aber immer Einhalt. Unser
Mainzer Turnverein von 1817 konnte im Jubeljahr 1967 auf die 150 Jahre seines
Bestehens zurückblicken. Mit 1366 Mitgliedern, davon 813 Kinder, Schüler und
Jugendliche unter 21 Jahren, die von 30 Übungsleitern in den verschiedenen
Sportzweigen betreut wurden, konnte der bis dahin höchste Bestand verzeichnet
werden.
Das 150jährige Jubiläum wurde im großen Stil gefeiert, war es doch nach
75 Jahren das erste Jubiläum, das nicht in die Wirren eines Weltkrieges fiel.
Die Jubiläumsveranstaltungen fanden vom 24. Juni bis zum 2. Juli statt. Neben
vielfältigen sportlichen Veranstaltungen auf unserem Sportgelände hatten sie
ihre Höhepunkte im Jubiläumsfestball am Samstag im Kurfürstlichen Schloß
und in der Akademischen Feier am folgenden Tag an gleicher Stätte. Die
Festrede hielt der Vorsitzende des Hessischen Turnerbundes Franz Wilhelm Beck,
der lange Jahre als Mitglied unseres Vereins in verantwortungs- vollen
Positionen erfolgreich tätig war. Der Deutsche Turnerbund verlieh dem Verein
den Jahn-Schild für 150jährige Treue zum deutschen Turnen.
<p><img border="0" src="grafiken/geschichte/jahnschild.jpg" width="299" height="370">
<p><font size="2">Rückblickend konnte festgestellt werden, dass das 150jährige Jubiläum
der seit Jahrzehnten bedeutendste Höhepunkt der Vereinsgeschichte in
sportlicher, geselliger und kultureller Hinsicht war. Stellvertretend für die
vielen positiven Kritiken sei hier das Urteil des Ersten Vorsitzenden des
Deutschen Turnerbundes erwähnt:"Diese Chronik ist nicht nur ein Stück
Vereins- und Stadtgeschichte. In ihr spiegelt sich auch die Geschichte des
Deutschen Turnwesens und unserer staatlichen Entwicklung in den letzten 150
Jahren wider".</p>
1. Juni 1974 Einweihung des Vereinsheims an der Schillstraße
Immer mehr reifte in den sechziger Jahren die Erkenntnis, dass zu einer
engeren Bindung der Mitglieder untereinander ein Vereinszentrum gehört, nicht
zuletzt, um auch damit einer Verselbstständigung und zum Auseinanderdriften
der Abteilungen entgegen zu treten. Aus diesem Grund wurde das große
Vorhaben, auf unserem Sportgelände an der Pariser Straße/Schillstraße
anstelle der alten "Baracken" ein neuzeitliches Vereinsheim zu
bauen, intensiv vorangetrieben. Erstmals wurden 1969 konkrete Pläne und
Kostenschätzungen vorgelegt und in der Hauptversammlung desselben Jahres
diskutierte man über "Turnhalle oder Vereinsheim". Zunächst ging
man von der Vorstellung aus, neben einem Vereinsheim mit Gaststätte auch eine
Turnhalle zu realisieren. Doch dies musste Wunsch- denken bleiben, denn die
Kosten wären hierfür nahe an die 1 Millionen Grenze gekommen und hätten mit
den unausweichlichen jährlichen Unterhaltungskosten ein unverantwortliches
finanzielles Abenteuer bedeutet. Doch noch zogen drei Jahre ins Land, die
gefüllt waren mit Diskussionen über das Wenn und Aber, sowie Gestaltung des
Heims und deren Finanzierung. Endlich war es soweit:</p>
<p><img border="0" src="grafiken/geschichte/abriss.jpg" width="225" height="233">
<img border="0" src="grafiken/geschichte/vereinsheim.jpg" width="225" height="234">
<p><font size="2">Im Frühjahr 1973 war der Bau des Vereinsheims beschlossen und die
Finanzierung des Kostenaufwands von rund 550 000 DM war sichergestellt. Am 2.
April 1973 war "Erster Spatenstich" für unser neues Vereinsheim.
Die Baracke, die jahrelang behelfsmäßig als Vereinsunterkunft, Gaststätte
und Umkleideräume diente und immer mehr zu einem unansehnlichen Schandfleck
geworden war, wurde abgerissen.
<p><font size="2">An gleicher Stelle entstand das neue repräsentative Vereinsheim. nach
14-monatiger Bauzeit konnte das Bauwerk mit einer offiziellen Einweihungsfeier
am 1. Juni 1974 seiner Bestimmung übergeben werden.Ein launisches Spiel
des Zufalls konnte man es nennen, dass während des Baues des neuen
Vereinsheims das ehemalige traditionsreiche Vereinszentrum in der
Schießgartenstraße abgerissen wurde.
1974 - 1979 Gründung weiterer Abteilungen und Eintrag ins Vereinsregister
Immer mehr Turnspiele lösten sich aus der Turnabteilung und gründeten
eigene Abteilungen: zunächst 1974 Volleyball, seit 1968 als Sportgruppe bei
den Turnspielen geführt, dann 1975 Faustball und Prellball. Eine Gruppe von
Sportkeglern schloss sich 1978 dem Verein an und bildeten die Kegelabteilung.
Begleitet und unterstützt wurden die strukturellen Veränderungen durch
die Notwendigkeit, eine neue Satzung abzufassen und zu beschließen. Das aus
dem vorigen Jahrhundert stammende Kooperationsrecht war im Zuge der in den
70iger Jahren betriebenen Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften für
Vereine in Deutschland zugunsten des Vereinsrechts aufgegeben worden. Vor dem
Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 gegründete Vereine
mit Kooperationsrechts, wie der Mainzer Turnverein von 1817, mussten sich bis
Ende 1979 in das Vereinsregister eintragen lassen. Dazu war eine neue Satzung
vorzulegen, die den Erfordernissen des im BGB verankerten Vereinsrechts
entsprach. Diese neue Satzung, die sich seit Jahren bewährt, wurde in der
Hauptversammlung vom 27. März 1979 mit überzeugender Mehrheit angenommen.
Hervorzuheben ist besonders die gestärkte Funktion des Turnrates, der als
Bindeglied zwischen Vorstand und Abteilungen fungiert. Damit nimmt der Turnrat
unmittelbar Einfluss auf die interne Sportpolitik des Vereins und leistet
einen echten Beitrag zur Demokratisierung der Entscheidungsprozesse. Der
Eintrag ins Vereinsregister wurde am 31. Dezember 1979 durchgeführt.
1980 Verkauf des Großteils des Sportgeländes an die Stadt Mainz
Das neue Vereinsheim entwickelte sich schnell zu einem bevorzugten
Treffpunkt der Mitglieder. Die für jeden zugängliche Gaststätte erfreut
sich bis heute größter Beliebtheit bei den Mitgliedern ebenso wie bei den
Bewohnern des umliegenden Wohngebietes. So erfreut der Vorstand über diese
erhoffte Entwicklung war, die Medaille hatte leider auch eine Kehrseite: Die
Baukosten waren aus dem Ruder gelaufen. Sie wurden noch 1974 vorläufig mit
835 000 DM angegeben, die Erhöhung mit allgemeinen Kostensteigerungen,
baulichen Erweiterungen und Kosten für die Außenanlagen begründet. Die
Schlussabrechnung zeigte in den folgenden Jahren das wahre Desaster: Die
Gesamtkosten lagen beträchtlich über 1 Mio DM und hatten sich gegenüber dem
ursprünglichen Ansatz mehr als verdoppelt. Der Verein sass auf einem
Schuldenberg von rund 1 Mio Mark, dem allerdings immer noch ein
beträchtlicher Grundbesitz gegenüberstand. Eine Sanierung der
Vereinsfinanzen durch den Verkauf eines Teils des Grundbesitzes war
unausweichlich. Verhandlungen mit der Stadt Mainz, die auf den Erhalt des
Sportgeländes in der unmittelbaren Nachbarschaft des Schulzentrums angewiesen
war, und der Sparkasse Mainz als Hauptgläubiger wurden aufgenommen. Geplant
war der Verkauf des großen Sportfeldes mit der 400m Rundlaufbahn und des
Geländes der ehemaligen Rollschuhbahn. Vereinsheim, Altbauparzelle und
Tennisplatzanlage bliebe dem Verein. Die Verhandlungen zogen sich viele Monate
hin, kamen aber zu keinem greifbaren Ergebnis. In einer am 6.Juni 1980
stattgefundenen Mitgliederversammlung wurde festgelegt, nachdem die
Verhandlungen mit der Stadt Mainz wieder aufgenommen wurden, eine Fläche von
ca. 20.600 qm zu einem Verkaufspreis von 614.000 DM an die Stadt Mainz zu
veräußern. Dies führte zwar nicht zur völligen Entschuldung, verminderte
aber die Schuldenlast in dem Masse, dass der Verein wieder atmen konnte.
25. Mai 1984 Verleihung der Sportplakette des Bundespräsidenten
Eine hohe Anerkennung von außen erreichte den Verein durch die Verleihung
der Sportplakette des Bundespräsidenten am 25. Mai 1984. Bei der damaligen
ersten Verleihung der neu geschaffenen Auszeichnung war der Mainzer Turnverein
von 1817 als erster und einziger Verein aus Rheinland-Pfalz dabei.
Bundespräsident Karl Carstens verlieh Plakette und Urkunde persönlich auf
einer großen Festveranstaltung in Bad Homburg. "Als Auszeichnung für
die in langjährigem Wirken besonderen Verdienste um die Pflege und
Entwicklung des Sports in unserem Lande" - so hieß es in der
Verleihungsurkunde. Die Auszeichnung würdigt die ehrenamtliche Tätigkeit,
drückt den Dank für übernommene Mühen und Lasten aus, ist aber auch
Verpflichtung für die Zukunft.
1991/92 Neubau des Sportplatzes an der Schillstraße
Große Sorge bereitete Mitte der 80iger Jahre der äußerst schlechte
Zustand des Hauptfeldes der Sportanlage. Bei trockener Witterung verwandelte
er sich in eine Staubwüste, bei Regenwetter in eine Seenplatte. Betonharte
Stellen wechselten mit knöcheltiefem lockeren Sand ab, so dass auch immer
häufiger Sportverletzungen auf die Platzverhältnisse zurückgeführt werden
mussten. Nach über zwanzig Jahren intensiver Nutzung durch Verein und Schulen
war der Platz verbraucht und bedurfte einer dringend notwendigen Sanierung.
Erstmalig 1985 und in den folgenden Jahren immer wieder, wurde der Vorstand
des Vereins bei der Stadt Mainz als neue Eigentümer des Geländes vorstellig,
um eine Sanierung des Hauptfeldes zu erreichen. 1989 erarbeitete das Amt für
Grünanlagen und Naherholung im Benehmen mit dem Sportamt die
Planungsunterlagen. Der Sportausschuss der Stadt ordnete dem Projekt höchste
Priorität zu und der Stadtrat stimmte schließlich in seinen Etatberatungen
für den Doppelhaushalt 1990/91 dem Vorhaben zu, dass mit einem Volumen von
2,7 Mio DM eher einem Neubau als einer Sanierung gleichzusetzen war. Neben dem
Hauptfeld sollte auch das Kleinfeld mit Kunstrasen belegt, die Laufbahn in
Kunststoffausführung neu hergerichtet und das gesamte Freigelände neu
gestaltet und bepflanzt werden. Baubeginn war der 29. April 1991 und wurde mit
12 Monaten Bauzeit veranschlagt. Im Jubiläumsjahr 1992 präsentierte sich die
Sportanlage an der Schillstraße als eine neuzeitliche, in Planung und
Ausführung gelungene Anlage.
So günstig jetzt die Voraussetzungen für die Freiluftsportler waren, so
sehr litten und leiden die Turner und die anderen Hallensport treibenden
Abteilungen an dem Mangel an ausreichender Hallenkapazität. Der Wunsch nach
einer eigenen Turnhalle, in späteren Jahren nach einer städtischen
Sporthalle an der Schillstraße, zieht sich wie ein roter Faden durch die
Vereinsgeschichte der letzten 25 Jahre. Der Traum ist aber immer noch wach
geblieben.
Schlusswort
In diesen Tagen wird viel über mehr Professionalität in den Sportvereinen diskutiert. Was immer die Erfinder dieses
Wortes darunter verstehen, es klingt die Ansicht durch, dass der heute bereits bestehende, zumindest für die nahe
Zukunft zu erwartende Mangel an ehrenamtlichen Mitarbeitern durch gut dotierte Angestellte des Vereins zu beheben
sei. Dies war nie die Grundidee des Mainzer Turnvereins von 1817 - und ist sie auch heute nicht. Der Rückblick auf
die fast 200jährige Vereinsgeschichte lässt erkennen, dass in jeder Phase des Geschehens die leitenden Männer von
einem hohen Maß an Idealismus und Verantwortungsbewusstsein beseelt waren. Nur dadurch konnte der Verein die Wirren
der Zeitläufe überleben und zu dem werden, was er heute ist. Bleibt der Wunsch, dass die heutige und die nächsten
Generationen dieses Erbe zu wahren und zu schätzen wissen und das aus ihnen stets Frauen und Männer hervorgehen
werden, die ihre Kraft in uneigennütziger Weise dem Verein zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung stellen
werden. Dann wird der Mainzer Turnverein von 1817 weiter bestehen, auch zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger
unserer Vaterstadt Mainz.
Quelle: 200-Jahr-Buch des Mainzer Turnverein von 1817